Reisemängel

Urlaub, die schönste Zeit im Jahr – was aber, wenn die Erholung ausbleibt?

Wer kennt es nicht: Man freut sich Wochen, vielleicht sogar Monate auf den Urlaub und dann läuft schon auf der Hinreise alles so gewaltig schief, dass man die Zeit vor Ort kaum richtig genießen kann. Oder noch schlimmer: In unmittelbarer Nähe des Hotels befindet sich eine Großbaustelle, die dazu führt, dass man tagsüber kaum sein eigenes Wort verstehen kann.

Mittlerweile dürfte weitläufig bekannt sein, dass das deutsche und auch das EU-Recht in diesen Fällen verschiedene Ansprüche des Reisenden vorsehen. Bei einer Flugverspätung von über drei Stunden, Annullierung und Nichtbeförderungen ist nach der EU-Verordnung 261/2004 zum Beispiel eine Entschädigung fällig. Im nationalen deutschen Recht sind in Umsetzung der sogenannten Pauschalreise-Richtlinie der EU 2015/2302 bei Vorliegen eines Reisemangels verschiedene weitere Rechte bzw. Ansprüche wie Rücktritt, Minderung und Schadensersatz vorgesehen.

Viele Einbußen sind relativ eindeutig festzustellen und zu quantifizieren: Bucht man ein Hotelzimmer mit Meerblick, bekommt vor Ort aber nur eins mit Blick auf das Hinterland zugeteilt, kann man in Höhe der Preisdifferenz Minderung nach § 651m BGB verlangen. Verletzt sich ein Reisender aufgrund unzureichender Sicherheitsstandards, kann er nach § 651n Abs. 1 BGB die Kosten der Heilbehandlung vom Reiseveranstalter verlangen.

Keine Erholung wegen Reisemängeln

Ein Reisemangel kann je nach Gewicht aber zusätzlich durchaus dazu führen, dass man als Reisender das Gefühl hat alles andere als erholt zu sein. Die wertvollen Urlaubstage sind verbraucht, aber man musste sich so ärgern, dass eigentlich direkt der nächste – diesmal aber erholsame Urlaub – nötig wäre.

Was viele vielleicht nicht wissen, ist, dass dem Urlauber auch dahingehend ein Entschädigungsanspruch zusteht. § 651n Abs. 2 BGB sieht vor, dass der Reisende „auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen“ kann, wenn die Pauschalreise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wurde.

Der Vorschrift liegt der Gedanke zu Grunde, dem Reisenden noch einmal einen einwandfreien Urlaub zu ermöglichen. Ersetzt werden soll der immaterielle Schaden, das heißt der Schaden, der kein Vermögensschaden ist, § 253 BGB. Der Anspruch aus § 651n Abs. 2 BGB kann also dazu führen, dass der Reisende nicht nur nach § 651m BGB den Reisepreis ganz oder teilweise zurückerstattet bekommt, sondern darüber hinaus eine weitere Summe. Das gilt sogar, wenn er die Reise angesichts des Mangels gar nicht angetreten oder direkt zu Anfang abgebrochen hat, zum Beispiel weil das Hotel durch ein Erdbeben zerstört wurde.

Reisemängel: Voraussetzungen

Ein solcher Anspruch des Reisenden ist aber natürlich an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Nicht jeder Reisemangel führt immer auch zu einem Entschädigungsanspruch nach § 651n Abs. 2 BGB.

  1. Buchung einer „Pauschalreise“ nach §§ 651a Abs. 2, 651b Abs. 1 Satz 2 und 3, 651c Abs. 1 BGB
  2. Vorliegen eines „Reisemangels“ nach § 651i Abs. 2 BGB
  3. Reisemangel unverzüglich dem Reiseveranstalter angezeigt, § 651o Abs. 1 BGB
  4. Vereitelung oder erhebliche Beeinträchtigung der Reise

Reisemangel nicht

  • vom Reisenden verschuldet, § 651n Abs. 1 Nr. 1 BGB
  • von einem Dritten verschuldet, der weder Leistungserbringer ist noch in anderer Weise an der Erbringung der von dem Pauschalreisevertrag umfassten Reiseleistung beteiligt ist, und für den Reiseveranstalter nicht vorhersehbar oder vermeidbar, § 651n Abs. 1 Nr. 2 BGB
  • durch unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände verursacht, § 651n Abs. 1 Nr. 3 BGB

Reisemängel bei Pauschalreise

Die erste und maßgebliche Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch ist, dass es sich um eine Pauschalreise handelt. Diese Voraussetzung bedeutet, dass ein Reisender nicht bei jeder Reiseform einen Anspruch aus § 651n BG haben kann. Bucht er die Reiseleistungen, das heißt Transport, Unterkunft etc., alle einzeln und individuell, finden die §§ 651a ff. BGB keine Anwendung. Die Art der Buchung bedeutet also eine wichtige Weichenstellung.

Reisemangel und Mängelanzeige

Weiter muss ein Reisemangel nach § 651i Abs. 2 BGB vorliegen. Diesen Mangel muss der Reisende dem Reiseveranstalter auch unverzüglich angezeigt haben, § 651o Abs. 1 BGB. Unterlässt er dies und kann der Reiseveranstalter deshalb dem Mangel nicht abhelfen, ist der Entschädigungsanspruch nach § 651o Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass der Reiseveranstalter zunächst die Möglichkeit bekommt, den Mangel zu beseitigen bevor er den umfangreichen Ansprüchen des Reisenden ausgesetzt ist. Er müsste aber den Mangel bei entsprechender Information durch den Reisenden auch tatsächlich hätte beseitigen können. Wäre das ohnehin nicht möglich gewesen, wird auch keine entsprechende Mangelanzeige vorausgesetzt.

Vereitelung oder Erhebliche Beeinträchtigung

Schließlich muss die Reise entweder vereitelt oder erheblich beeinträchtigt sein. Vereitelung liegt vor, wenn die Reise gar nicht angetreten werden kann oder gleich zu Anfang abgebrochen werden muss. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der Transport wegen Überbuchung scheitert oder weder die vereinbarte noch eine zumutbare Ersatzunterkunft zur Verfügung stehen.

Erheblich beeinträchtigt ist eine Reise, wenn bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls die Mängel unter Berücksichtigung des Reisezwecks und des Reisepreises den Urlaub ganz oder teilweise als vertan erscheinen lassen, BGH Urteil vom 14.05.2013 – X ZR 15/11 und Urteil vom 29.05.2018 – X ZR 94/17. Die Erheblichkeit bestimmt sich danach, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hat und wie gravierend er sich für den Reisenden ausgewirkt hat. Dem BGH zu folge kommt es dabei nicht darauf an, dass eine bestimmte Minderungsquote erreicht wird. Allerdings stellt eine besonders hohe Minderungsquote (in dem vom BGH entschiedenen Fall lag die Quote bei 50 %) ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung dar. Das heißt ein Entschädigungsanspruch wird umso wahrscheinlicher, je weiter der Reisepreis im Rahmen der Minderung nach § 651m BGB herabgesetzt und zu erstatten ist.

Vertretenmüssen

Der Reiseveranstalter muss den Reisemangel außerdem zu vertreten haben, § 276 BGB. Zu vertreten haben bedeutet im Ergebnis, dass derjenige für die Konsequenzen einstehen muss. Das ist natürlich abhängig von den tatsächlichen Umständen. Um es dem Reisenden im Prozess leichter zu machen, sieht § 651n Abs. 1 BGB eine gewisse Erleichterung vor: Das Vertretenmüssen des Reiseveranstalters wird vermutet – muss also nicht bewiesen werden. Diese Vermutung kann der Reiseveranstalter nur dadurch widerlegen, dass er beweist, dass einer der drei Fälle aus § 651n Abs. 1 BGB vorliegt, also dass der Mangel vom Reisenden selbst oder einem Dritten verschuldet ist oder durch unvermeidbare Umstände verursacht wurde.

Berechnung des Entschädigungsanspruchs

Was die Höhe des Entschädigungsanspruchs angeht, gibt es im Rahmen des § 651n Abs. 2 BGB kein allein richtiges Ergebnis. Das Gesetz sieht keine Kriterien zur Bemessung vor, sodass ein Richter im Prozess dahingehend sein tatrichterliches Ermessen nach § 287 ZPO absolut frei ausüben darf und muss. Der BGH (Urteil vom 11.01.2005 – X ZR 118/03) hat allerdings festgestellt, dass das Einkommen des Reisenden kein geeigneter Maßstab für die Höhe der Entschädigung ist, wohl aber der Reisepreis. Dieser zeige, wieviel Geld der mit der geplanten Reise verbundene immaterielle Gewinn dem Kunden wert war. Der BGH befand es für angemessen, für jeden vertanen Urlaubstag die zeitanteilige Quote des vollen Reisepreises anzusetzen, wenn die Reise durchgeführt wurde, aber so schwer beeinträchtigt war, dass die Belastungen des Reisenden im Vergleich zur Nicht-Durchführung der Reise einen zusätzlichen Ausgleich erfordern. Im Ergebnis kann sich aus § 651n Abs. 2 BGB je nach Reisepreis also ein Anspruch in beträchtlicher Höhe ergeben.

Wie bereits gesagt, ist es unbeachtlich, ob die Urlaubszeit auch tatsächlich nutzlos aufgewendet wurde. Wenn der Reisende stattdessen eine andere Reise antritt, ist der Entschädigungsanspruch dadurch nicht betroffen.